Freitag, 15. August 2014

House of One

House of one. Ein Haus für drei Religionen entsteht in Berlin. Was für eine Idee. Man hat unter dem Petriplatz in Berlin alte Kirchenfundamente gefunden. Das brachte die Stadt Berlin auf die Idee, es könnte dort eine Kirche entstehen. Die evangelische Kirchengemeinde winkte jedoch ab. Für eine weitere Kirche gibt es keinen Bedarf.

Das brachte die evangelische Kirchengemeinde auf eine Idee: Dieser Ort könnte allen Religionen offen stehen. Und so kam es zu einem Zusammenschluss der Kirchengemeinde, der jüdischen Gemeinde und der Muslimischen Gemeinde in Berlin. Am Ende steht der Bau eines Lehr- und Bethauses für drei Religionen: das house of one.

Im Juni beginnt das Fundraising und gesucht werden nicht 5 x 7 Millionen Euro sondern 3.500.000 x 10 €! Was für eine grandiose Idee! Das house of one wird von uns bezahlt. Jeder kann auf der Homepage 10 € einzahlen und gleichzeitig einen guten Wunsch mitgeben, der immer mit dem house of one verbunden sein wird.

Eilat. Es sind gut 40 Grad Celcius. Anfang Mai 2014. Wir sind verabredet. Alle wollen sich dieses Jahr in Eilat treffen: Meine drei Kinder und einige ihrer Freunde. Wir denken uns, dass es vielleicht eine schöne Idee ist, das Treffen am Roten Meer in einem "Cafe Cafe" zu beginnen. Wir hatten bemerkt, dass die Sitzgarnituren in den Restaurants und Cafes in Eilat recht schmutzig sind. Aber keiner kann in dieser Stadt dem Schmutz entfliehen. Es ist alles schmutzig und laut. In den Läden kann man 100 Sorten Bier finden.

Eilat ist eine einzige Partystadt. Alle Menschen sind tätowiert, es gibt eine schier unübersehbare Zahl junger Menschen. Und es ist - es kann nicht oft genug bemerkt werden - schmutzig. Dazu ist es teuer, überfüllt und selbst die Fische im Meer haben sich versteckt. Der Kampf über einen der Stege ins Wasser zu kommen, ist unerträglich. Schön, zusammen zu sein. Aber in Eilat? Das Hostel war eine kleine Entschädigung: Alkoholverbot und richtig strenge Regeln. Der Herbergsvater, ein Israeli, der wohl in den letzten 20 Jahren nichts anderes gemacht hat, als zu malen und zu gestalten und der aus der Herberge ein Gesamtkunstwerk gemacht hat, ist sehr entschieden. In seiner Herberge gibt es keinen Alkohol.

Draußen: Ja. Aber hier drinnen eben nicht. Er erzählt, dass es früher sehr laut war, die Gäste hatten Konflikte untereinander und er hatte immer sehr viel aufzuräumen und wegzuputzen. Dann hatte er die Idee: Alkoholverbot! Und schon waren die Gäste ruhig. Es kam zu Gesprächen und vor allem: Immer mehr Menschen suchten gezielt dieses Hostel. Tatsächlich: Es war sauber.

Tel Aviv. Das Leben pulsiert. Man könnte meinen, man sei in Berlin-Friedrichshain. Etwas wärmer, vielleicht weniger Restaurants. Aber dafür viele Menschen. Die Stadt lebt, bietet Kultur, Begegnung, Architektur und Kunst. Irgendwie vertraut und einladend. Viele Israeli tragen eine Kippa. Man ist freundlich. Es gibt wunderbare Cafés, feinstes Gebäck. Eine Stadt, in der man leben kann.

Jerusalem. Vielfältig und extrem. Es gibt viele schwarz gekleidete, orthodoxe Juden mit vielen Kindern, Frauen mit Perücken und Männer mit Pelzhüten. Gut, Jerusalem ist immer etwas kühler, liegt es doch in den "Bergen". Aber bei 2o Grad eine Pelzmütze? Die orthodoxen Juden blicken durch die Ungläubigen hindurch. Für sie sind wir keine Menschen. Wir sind gar nicht existent. Es sei denn, eine Frau stellt sich in die falsche Reihe an der Kasse.

Ein weiteres Extrem: die Christen. Im entsprechenden Viertel in Jerusamel ist es sauber. Aber es ist auch teuer und man wird ohne Unterbrechung angesprochen. Kaufen, kaufen, kaufen. Die Reisegruppen werden durch die engen Gassen geschleust. Es ist unangenehm. Unangenehm in der Grabeskirche und unangenehm in den Läden. Wäre da nicht das Lutherian Guesthouse, dieses Viertel wäre irgendwie verloren. Das Gästehaus aber bietet eine einzigartige Sicht auf die Dächer, das Leben auf der Stadt und hinüber zum Ölberg.

Ostjerusalem. Wir sind eingeladen. Es ist wichtig, man bietet und Kaffee, Kuchen, Wasser. Die Wohnung ist klein und sehr liebevoll eingerichtet. Schön, wie die Menschen hier leben. Draußen ist es schmutzig. Die Straßen sind voll Menschen und als uns Abenteuer am nächsten Tag Richtung Süden führen, sehen wir auch wie arm die Menschen sind. Sie haben keine Rechte. Wollen sie reisen, müssen sie zunächst nach Jordanien reisen. Dort bekommen sie jordanische Papiere. Aber sie sind sehr herzlich. Vielleicht, weil wir aus Deutschland kommen. Vielleicht aber auch, weil sie es so gelernt haben und weil sie höflich sind.

Als ich zurück war, hatte ich einen Gedanken: Ich will nicht extrem sein. Das Erlebte hat einen intensiven Eindruck hinterlassen.

Die wirkliche Erfahrung in Israel war, dass dort, wo sich Menschen wirklich begegnen, spielt die Religion keine aktive Rolle. Diese Begegnung über Kunst, Kultur und Wissenschaft ist überall möglich. Sich nur den Emotionen zu überlassen und in streng geformten einseitigen Ritualen zu leben, verhindert Begegnung. Gleichzeitig ist es fürchterlich schwer den eigenen orthodoxen Juden, den Christen und den Muslim in sich abzugeben.
Vielleicht ist das house of one eine Gelegenheit hierzu. Ich wünsche mir, dass es mir ein kleines Stück gelingen mag.
Das alles habe ich im Mai geschrieben. Heute ist Krieg. Es sind nicht die Menschen, die aufeinander schießen. Es sind Machtinteressen. Freunde haben sich mit Bekannten getroffen. Menschen aus Deutschland, die aus palstinensischen Gebieten stammen und Menschen die in amerika wohnen und aus israelischen Gebieten stammen. Reiche Geschäftsleute, die erzählen, dass sie wiederum reiche Freunde haben, die gerne in Jericho, Bethlehem oder anderen Gebieten investieren würden. Infrastuktur aufbauen und Schulen und Universitäten unterstützen.
Aber Unsicherheit hindert sie daran. So lange es nicht sicher ist, wie lange es ruhig bleibt, wird keiner investieren. Das war alles im Mai 2014. Heute hat sich das bestätigt: Es gibt keine Sicherheit. Das ist im Interesse der jüdischen Siedler und der extremen Seite aus den palstinensischen Gebieten.

Die Menschen leben weiter zusammen. Gegen die Machtinteressen der Großen können wir wohl wenig ausrichten. Aber wir können weiter Fäden knüpfen und uns nicht beirren lassen: Wir sind selbst verantwortlich für unser Tun. Jenseits der Frage: Wer ist nun "gut"? Können wir auf beiden Seiten Menschen finden, die ganz aus sich heraus ein freies Leben anstreben. Das sind vielleicht die Palästinenser, die in der Sesselbahn in Jericho "Candy-Crush" auf dem Smartphone spielen. Oder das amerikanische Ehepaar, das die alte Heimat besucht und sich freut, dass sich diese entwickelt, es wieder mehr Torismus gibt.

Und am Ende stelle ich mir die Frage, wie das mit den Raketen und den israelischen Angriffen im Gazastreifen ist. Ich glaube, das ist nicht zu verstehen. Es ist vielleicht ganz große Machtpolitik die ihre Bahn findet, in einer Zeit, in der alle auf Russland und die Ukraine schauen, an diesem Lebensort, der sicher zu den extremsten auf der Welt gehört. Wir sollten alle zusammenlegen und uns Ferienwohnungen in Gaza kaufen.
Wir sollten Schulen unterstützen und hoffen, dass Bildung hilft den Kindern eine Zukunftsperspektive zu öffnen. Wir sollten wissen, dass die Menschen, die dort leben oder in der israelischen Armee dienen genau so wenig verstehen wie wir. Sie machen aber schreckliche Erfahrungen. Sie müssen fürchterliche Dinge erleben und keiner weiß genau wozu.

Giens. Französische Militärhuschrauber fliegen fast genau so regelmäßig über dem französischen Strand wie in Herzeliya-Beach. Ganz in der Nähe ist einer der großen französischen Seehäfen: die "Ukraine Frankreichs". Keiner kann sich vorstellen, dass Frankreich diese Häfen oder die zivile Luftfahrttechnik hier aufgeben könnte. Wie kommt man auf die Idee, Russland könnte das in der Ukraine leisten?
Ich glaube, das wirklich revolutionäre am "house of one" ist, dass es eben keine Kultstätte einer Religion sein soll, sondern ein Lehrhaus. Es entsteht, in dem viele einzelne Menschen einen kleinen Beitrag leisten. Die Bibliothek, die entstehen soll, wäre für bildungsreisende Klassen schon heute über Jahre ausgebucht - wenn es sie gäbe.