Abschied
und Neubeginn
Liebe Mitglieder der Schulgemeinschaft,
als ich mit 27 Jahren meine erste Stelle als Klassenlehrer an einer kleinen Waldorfschule im Saarland, der Johannes-Schule in Bildstock, begonnen hatte, lagen bereits 7 Jahre Ausbildung und Arbeit als Heilpädagoge in Frankreich und der Schweiz hinter mir. Meine erste Klasse führte ich als Klassenlehrer 8 Jahre. Unsere Schule befand sich damals, 1989 noch im Aufbau, so dass ich viele Fächer unterrichten musste und gleichzeitig immer wieder in Eigenleistung mit den Eltern unseren Schulhaus-Altbau umbauen und erweitern musste. Hinzu kam die Mitarbeit in Vorstand, Interner Konferenz und die Pflege der Beziehungen zu anderen Einrichtungen. In diesen Jahren besuchte ich sehr regelmäßig die Michael Bauer Schule anlässlich der Herbsttagung und später anlässlich der Treffen der Heilpädagogischen Schulen, die im Winter regelmäßig an Dienstagnachmittagen an der Michael Bauer Schule stattfanden.
Die baulich notwendige Erweiterung des Schulhauses in Friedrichsthal/Bildstock brachte mich schließlich in die Situation, nach dem Abschluss meiner Klasse, ein ganzes „Freijahr“ mit dem Erweiterungsbau der Johannes-Schule zu verbringen.
Nach Ablauf dieses „Freijahres“ hat man mir die Geschäftsführung des Schulvereines angeboten. Da wir in der Lehrerschaft eingespielte Teams und ein sehr konstantes Kollegium hatten, gab es eigentlich auch keine andere Möglichkeit für mich. Es wurde einfach keine Lehrerstelle mehr frei. Somit ergriff ich diese neue Aufgabe in der Geschäftsführung. Es gab genug Möglichkeit, auszuhelfen zu unterrichten und später Kolleg*innen einzuarbeiten. Bald bemerkte ich, dass es einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung bedarf, wenn man einen größeren Betrieb mit 45 Mitarbeitern leitet. Unsere Schule hatte damals über 150 Schüler*innen, wir waren mit die größte Förderschule im Saarland (heute ist die Johannes-Schule als „Waldorfförderschule“ offiziell (vermutlich die einzige Schule dieser Art in Deutschland) anerkannt. Sie führt die Schüler*innen als Förderschule bis in die 12. Klasse).
Es begann die Zeit der Zusatzausbildungen (Betriebswirtschaft und Leitung/Beratung), hinzu kamen Aufgaben in der Landesarbeitsgemeinschaft (Rheinland-Pfalz/Saarland/Luxembourg), beim Bund der Freien Waldorfschulen und in einem Verein, der unserer Schule zugeordnet war und sich um Jugendhilfe und Sozialpsychiatrie auf zwei Bauernhöfen kümmerte. Als Gründungsberater des Bundes begleitete ich einige Schulinitiativen in Rheinland-Pfalz und im Saarland im Aufbau und bei Umstrukturierungen. Darunter sind inzwischen zwei Waldorfschulen: Freie Waldorfschule Kastellaun und die Waldorfschule Bad Kreuznach. Auch das eigentliche Bauen ging weiter: Wir konnten an der Johannes-Schule eine eigene „Ganztagsschule“ bauen mit den letzten Geldern aus IZBB (Investitionsprogramm Zukunft und Betreuung).
Schließlich kam eine große Veränderung mit dem Umzug nach Stuttgart. Zwei Jahre zuvor hatte ich eine verwaiste 6. Klasse als Klassenlehrer übernommen. Es handelte sich damals um eine der wenigen noch größeren Klassen der Schule. Die Inklusion hatte es mitgebracht, dass die Johannes-Schule zahlenmäßig immer kleiner wurde und sich folglich mehr und mehr auf ESENT-Schüler*innen eingestellt hat. Heute ist die Johannes-Schule eine kleine Schule, die sich vor allem um Schüler bemüht, die nicht mehr beschulbar sind im bekannten Schulsystem.
Inzwischen sind 8 Jahre vergangen. Rückblickend entstand hier an der Michael Bauer Schule während meiner Zeit als Geschäftsführer eine Sporthalle, der Umbau des Festsaals, und der Wiederaufbau des Gewächshauses. Es war mir möglich zu vielen Politikern im Land, zu Stiftungen und großen Kooperationspartnern Kontakte zu knüpfen. Es musste ein Förderverein gegründet werden und gleichzeitig gab es die Aufgabe den Zuschuss 90% für die Schule zu erschließen, was vor einigen Wochen, nach jahrelanger Arbeit, endlich geglückt ist. Weitere Aufgaben lagen in der Umsetzung und Refinanzierung unserer neuen Klassenformen an der Michael Bauer Schule. Seit 2018 bin ich Mitglied im Vorstand der Freien Hochschule (Lehrerseminar) und 2017 wurde ich von der Landesarbeitsgemeinschaft gebeten, bei der Sanierung der Freien Waldorfschule Rottweil mitzuwirken.
Vorstellen will ich mich heute bei Ihnen als Klassenlehrer der neuen ersten Klasse. Die Unbeständigkeit in der Beständigkeit in meiner Biografie führt sich fort! Nachdem wir die Stelle der Klassen*lehrerin nicht besetzen konnten, hat man innerhalb des Kollegiums nach Persönlichkeiten gesucht, die sich vorstellen könnten, eine neue Herausforderung anzunehmen. So musste ich mich entscheiden. Als Klassenlehrer der Klasse 1K werde ich zunächst die Schüler über den ganzen Vormittag begleiten. Ich freue mich auf die inklusive Arbeit und die Zusammenarbeit mit der 1G.
Der Abschied aus der Geschäftsführung fällt mir auch schwer. Leicht wird es mir gemacht, da ich die große Last der Verantwortung abgeben kann. Hierzu ist der Zeitpunkt günstig, da langjährige Projekte erfolgreich zum Abschluss gekommen sind. Es war mir immer wichtig, dass die Schulgemeinschaft lebendig bleibt und möglichst viel Transparenz herrschen kann.
Nun verabschiede ich mich bei Ihnen und danke für die Zusammenarbeit! Meine Tätigkeit als Geschäftsführer endete am 12.7. Somit begann die neue Tätigkeit am 13.7. dieses Jahres. In welchen Zusammenhängen wir uns nun begegnen, bleibt offen. Ich werde mich zunächst ganz der neuen Aufgabe widmen und die letzten Reste meiner Baustellen an meinen Nachfolger übergeben.
Reinhard Vieser im Juli 2020