Donnerstag, 31. Dezember 2009

Die neuen Meister und ein zweifelnder Geselle

Zum Werke, das wir ernst bereiten,
Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
Wenn gute Reden sie begleiten,
Dann fließt die Arbeit munter fort.
So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,
Was durch die schwache Kraft entspringt,
Den schlechten Mann muß man verachten,
Der nie bedacht, was er vollbringt.
Das ists ja, was den Menschen zieret,
Und dazu ward ihm der Verstand,
Daß er im innern Herzen spüret,
Was er erschafft mit seiner Hand.
aus Friedrich Schiller (Das Lied von der Glocke)

Manchmal - vor allem am Morgen - fällt mir etwas ein. Heute waren es die letzten fünf Zeilen der zweiten Strophe vom Lied von der Glocke. Aus ganz unterschiedlichen Gründen fing ich im November an, mich um Mystik zu kümmern. Bis dahin hatte ich keinen oder einen eher konfessionell geprägten Zugang zur Mystik. Sicher, ich war fasziniert von den Waldensern, den Katharern und ebenso von der Atmosphäre im Dom zu Speyer oder der Abtei Romainmotier. Dennoch begegnete ich diesen Eindrücken mit großer Vorsicht. Vor allem wenn es um Salzkristalleuchten im Schulbüro ging...

Im Berufsalltag der Waldorfschule kann ja praktisch jeder Eindruck mystifiziert werden. Das geht, zumal ich weiß, dass immer alles mit allem zusammenhängt. Den Spruch: "Jeder Chef hat die Mitarbeiter, die er verdient", habe ich in Saarbrücken an der IHK (Industrie und Handelskammer) gelernt. Eine andere Erfahrung, welche in eine ähnliche Richtung deutet, kam aus Wuppertal (Sozialakademie): "Es ist wie es ist" und "Alles hat seine Bedeutung".

Im November besuchte ich "Jameos del Agua", den unteren Teil eines 6 km langen Höhlensystems auf Lanzarote. Es war mein erstes Wochenende auf Lanzarote. Da ich gemeinsam mit zwei großen Reisebussen ankam, wartete ich in der ersten großen Vulkanblase, bis die Gruppen weg waren. Die Zeit vertrieb ich mir mit einem Espresso. So saß ich in der Vulkanblase - fast alleine - und ohne dass ich es wollte, fühlte ich mich wie im Dom zu Speyer. Die entsprechende Erklärungen war bald gefunden: Akustik und Windstille. Das war aber wenig befriedigend. Am Ende meines Aufenthaltes in Lanzarote konnte ich zwar nicht die geologischen Vorgänge des Vulkanismus beschreiben, vielmehr jedoch meine Gefühle, mein Denken und Wollen in den Kratern.

Unterschiedliche Strömungen der Psychologie und mehr oder weniger bedeutende Lebensschulen, es gibt ja einige auf dieser modernen Welt (Uwe Mingo, Yehuda Tagar und Roland van Vliet) begegnen mir im Berufsalltag. Oft bin ich dann gefordert, schnell zu urteilen, was sich später manches Mal als Vorurteil  herausstellt. Diese Menschen beziehen sich ja durchaus auf sehr unterschiedliche Inhalte oder Weise. Bei Mingo ist es Valentin Tomberg, bei Yehuda Tagar die "Psychosophie Steiners" und bei Roland van Vliet sind es die Rosenkreuzer.

Wenn mich Freimaurer ängstigen, liegt es wohl daran, dass ich nicht weiß, was sie in Wirklichkeit für Ziele verfolgen (ab und an bemerke ich eklig chauvinistische Züge an Freimaurern). Bei den oben genannten Persönlichkeiten, ist ja wenigstens alles offenbar. Auch wenn der eine oder andere sein Konzept gerne verkaufen will und deshalb nicht alles veröffentlicht oder gar damit wirbt, dass man Geld mit dem zertifizierten System verdienen könne.

Vielleicht sollte ich ganz einfach meinen eigenen Weg suchen und jene Anregungen tolerant aufnehmen, welche durch die neuen Schaffenden gegeben werden. Doch irgendein Reflex hält mich davon ab. Es ist wohl der gleiche, der mir die Vorurteile zuschustert. Und es ist ein alt bekannter Reflex, welcher mich 1983 vor Rudolf Steiner und 10 Jahre später vor Witzenmann warnte. Auch warnte er mich vor mystischen Erfahrungen.

So befinde ich mich am Anfang eines neuen Weges. Bei Rudolf Steiner ist ja sehr interessant, wie sehr die moderne Hirnforschung und die humanistische Psychologie vieles heute von dem bestätigen, was Steiner vor 90 Jahren ohne technische Mittel wie Hirnscanner in seinen Vorträgen beschrieben hat. So wird die achtsamkeitsbasierte Psychotherapie in "Gehirn und Geist", September 2009 beschrieben, welche in interessanter Weise mit der Erkenntnistheorie Witzenmanns und Van Vliets "Ungeteilter Aufmerksamkeit" korrespondiert.

Zwei Dinge werde ich beachten: 1. Keinen Personenkult betreiben. Und 2. Immer darauf achten, dass wie im Lied der Glocke anklingend, Denken, Fühlen und Wollen übereinstimmen.

Und die Zweifel? Sie werden bleiben (dürfen).










Keine Kommentare: